Der Einfluss des Wetters auf das Kopfschmerzgeschehen

Die Auswirkungen des Wetters auf unsere Befindlichkeit sind regelmäßig Gegenstand der Berichterstattung in den unterschiedlichsten Medien. Dabei stehen auch immer wieder Kopfschmerzen im Fokus des Interesses, denn sowohl für Migräne als auch für Kopfschmerz vom Spannungstyp werden Wettervorgänge von den Betroffenen auffallend häufig als Auslöser für ihre Beschwerden genannt. In manchen Untersuchungen sind es mehr als zwei Drittel der Befragten, die eine ursächliche Verbindung zwischen der Wetterlage und ihren Kopfschmerzen angeben. Daher ist es nicht verwunderlich, dass viele Untersuchungen der Frage nach Zusammenhängen nachgehen.

Wie entstehen Erkenntnisse?

Die Vorgehensweise ist bei vielen Untersuchungen ähnlich. Patient:innen, die unter Migräne oder Kopfschmerz vom Spannungstyp leiden, führen über einen bestimmten Zeitraum hinweg ein sogenanntes Kopfschmerz-Tagebuch. Darin tragen sie die Schmerzattacken sorgfältig ein und fügen weitere Informationen über Schwere, Dauer etc. hinzu.

In einem zweiten Schritt werden die für den jeweils beschriebenen Zeitraum verfügbaren Wetterdaten (Luftdruck, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Regen, Windbewegung usw.) ermittelt, die in der Regel von der nächstgelegenen Wetterstation stammen. Zudem erfasst man Vorgänge wie etwa fallenden Luftdruck oder steigende Temperatur, weil viele Patient:innen angeben, dass es gerade bei „Wetterwechsel“ zu Attacken komme. Auf diese Weise sammelt man eine gewaltige Menge an Daten.

Anschließend setzt man mithilfe mathematischer Modelle die Aufzeichnungen der Patient:innen mit den Wetterdaten in Beziehung. Ziel der Berechnungen ist es herauszufinden, ob sich bei bestimmten Kombinationen beweisbare, aussagekräftige Zusammenhänge zwischen Wetter und Kopfschmerzereignissen ergeben. In diesem Beitrag möchten wir einige der Untersuchungen darstellen und versuchen, die Erkenntnislage einzuordnen.

Vielgestaltige Resultate

In einer Untersuchung, die an der Berliner Charité durchgeführt wurde, glich man die Kopfschmerz-Tagebücher von Migräne-Betroffenen über ein Jahr hinweg mit Wetterdaten ab. Bei sechs von 20 eingehend untersuchten Patient:innen fand sich ein gesicherter Zusammenhang zwischen Migräne-Attacken und zeitgleich stattfindenden Wetterereignissen, nämlich einem Temperaturabfall bei gleichzeitigem Anstieg der Luftfeuchtigkeit.

Die Verfasser:innen nehmen bei der Auslegung ihrer Ergebnisse auch erbliche Faktoren in den Blick, die in die Befunde hineinwirken könnten. Sie gingen der Frage nach, ob es Menschen gibt, die eine ererbte Veranlagung für die Reaktion auf Wettervorgänge mitbringen. Das könnte erklären, warum Zusammenhänge nur in einer Gruppe der Teilnehmenden gefunden wurden. Die Forschenden mussten allerdings einräumen, dass es schwierig ist, Ursachen und Wirkungen sicher zu benennen, wenn so viele Faktoren wie die aktuelle Befindlichkeit der Probanden, ihre ererbte Veranlagung und gemessene Wetterdaten gleichzeitig im Spiel sind.

Die Forscher:innen wagen zumindest eine Spekulation, wonach es bei den Migräne-Patient:innen aufgrund von Erbfaktoren eine Veranlagung zur Reaktion auf Wetterprozesse geben könnte.

Mosaiksteine ohne Bild

In einer neueren Arbeit geben die Verfasser:innen zu bedenken, dass man es in den Untersuchungen zum Thema Wetter und Kopfschmerzgeschehen, was die angewandten Methoden betrifft, mit einer sehr uneinheitlichen Vorgehensweise zu tun hat. Dadurch werden die Versuche, verlässliche Folgerungen abzuleiten, enorm erschwert. Außerdem gibt es bisher keine Untersuchungen, die schlüssig zeigen konnten, durch welche Übertragungswege sich Wetter auf unseren Organismus auswirkt. Bisher wurde nämlich kein Organ (-system) dingfest gemacht, das für die Effekte verantwortlich ist. Man kann bei den Befunden allenfalls von kleinen Mosaiksteinen auf der Suche nach dem übergeordneten Gesamtbild sprechen. Beispiele dafür seien an dieser Stelle genannt:

Geomagnetismus: In manchen Veröffentlichungen werden Vermutungen geäußert, wonach das Magnetfeld der Erde eine Rolle spielen könnte und sogenannte „geomagnetische Aktivitäten“ mit Kopfschmerzbeschwerden im Zusammenhang stehen könnten. Allen Spekulationen in dieser Richtung ist jedoch gemeinsam, dass man nicht weiß, wie die Wahrnehmung solcher Aktivitäten vonstattengeht. Man hat bis heute kein (Sinnes-) Organ oder Hirnareal gefunden, dem man diese Funktion zuschreiben kann.

Temperatur und Druck: Immerhin konnte für bestimmte Nervenbahnen gezeigt werden, dass ihre Funktion durch Temperatur- und Druckverhältnisse beeinflusst wird. Auch fand man in Tierstudien für bestimmte Krankheitsmodelle eine Wirkung des Luftdrucks auf die Schmerzempfindlichkeit. Dennoch fehlen auch hier Vorstellungen, wie die Einzelbefunde in das Geschehen bei Kopfschmerzerkrankungen einzuordnen sind.

Entzündungen: Eine weitere Spur führt zu entzündlichen Prozessen, denen schon länger eine mögliche Rolle bei der Entstehung von Migräneattacken zugeschrieben wird. Demnach könnten Schwankungen in der Umgebungstemperatur, beim Druck und der Luftfeuchtigkeit zur verstärkten Bildung von entzündungsfördernden Botenstoffen und zur Aktivierung von Immunzellen führen. Die Folge wären räumlich begrenzte Entzündungen in bestimmten Arealen, die entweder direkt als Schmerz wahrgenommen oder zu Auslösern von Migräne werden.

Betrachtet man die vielen Einzelbeobachtungen zur Wirkung von Wetterereignissen auf unseren Organismus, dann bekommt man ein Bild davon, wie schwierig es ist, aus diesen „Momentaufnahmen“ ein stimmiges Bild zu entwerfen, das Ursachen und Wirkungen zu erklären vermag.

Sind Wahrnehmungen auch Wahrheiten?

Bei einer Untersuchung an der Universität Wien führten Patient:innen über drei Monate hinweg ein Kopfschmerz-Tagebuch, in dem sie täglich eine Vielzahl von Eintragungen vornahmen. Darunter waren auch Angaben zu ihrer persönlichen Wetterwahrnehmung. Im ersten Schritt der Auswertung sah es noch so aus, als seien Zusammenhänge erkennbar. In einer zweiten, tiefer gehenden mathematischen Prüfung ließen sich diese jedoch nicht mehr nachweisen. Das zeigte eine grundlegendes Schwachstelle solcher Untersuchungen auf: Der Anteil an Patient:innen ist hoch, die für sich selbst – und eben nur auf dem eigenen Empfinden gegründet, mit „hoher Sicherheit“ einen Zusammenhang zwischen Wetter(-änderung) und Kopfschmerzgeschehen ausgemacht haben wollen. Gleichwohl halten diese Einschätzungen nur in den wenigsten Fällen einer wissenschaftlichen Untersuchung stand.

Hilft „Hightech“ bei der Lösung?

Ein Team aus japanischen Wissenschaftler:innen griff mithilfe einer Smartphone-Anwendung auf eine Datensammlung mit einer großen Zahl von Nutzer:innen zurück, um Angaben zu deren Kopfschmerzgeschehen zusammenzutragen. Die Informationen wurden mit einer Vielzahl von Wetterdaten ins Verhältnis gesetzt und nach Hinweisen auf Zusammenhänge durchleuchtet. Die Auswertung wurde mit Unterstützung von sogenannter „Künstlicher Intelligenz“ („KI“) durchgeführt.

Man fand heraus, dass niedriger Luftdruck und hohe Luftfeuchtigkeit sowie Regen für viele der untersuchten Personen eine den Kopfschmerz begünstigende Wirkung hatten. Als besonders wirksam wurde ein sinkender Luftdruck vor und während der Attacken ausgemacht. Die Resultate knüpfen an ähnliche Ergebnisse früherer Untersuchungen an, bei denen ebenfalls ein starker Effekt nicht bei stabilen Wetterlagen, sondern während erfolgender Veränderungen beobachtet wurde. Über das Zusammenspiel von Ursache und Wirkung indes war auch in dieser Erhebung nichts Gesichertes greifbar. Es gibt zwar Befunde, wonach sich die Faktoren Feuchtigkeit, Kälte und Regen ins Kopfschmerzgeschehen einschalten und gelegentlich zu Auslösern für Migräneattacken werden können. Dennoch bleibt es schwierig, aus rein beschreibenden Zusammenhängen eine schlüssige Annahme abzuleiten, welche Abläufe für die Signalverarbeitung bis hin zur Attacke verantwortlich sind.

Schwierige Suche nach Beweisen

Das Thema „Wetter und Kopfschmerz“ sorgt wie kaum ein anderes immer wieder für widersprüchliche Forschungsergebnisse und Bewertungen. Wer glaubt, die Naturwissenschaft könne hier verlässlich Licht ins Dunkel bringen, sieht sich getäuscht. Daran, dass unser Körper auf das Wetter reagiert, besteht kein Zweifel. Auch sind manche Menschen sind gegenüber einem Wetterwechsel empfindlicher als andere. Das ist aber schon fast alles, was man zuverlässig sagen kann.

Womöglich beruht ein wetterbedingtes Kopfschmerzgeschehen auch, wie Angela Schuh, Professorin für medizinische Klimatologie an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München in ihrem Buch „Biowetter“ schreibt, zum Teil auf einem „Trainingsmangel des ganzen Körpers, der dazu führt, dass sich dieser an unterschiedliche Wetterlagen nicht mehr schnell genug und vor allem nicht mit den richtigen körperlichen Abläufen anpassen kann". Hinzu kommt: Der moderne Mensch ist meist in Innenräumen tätig, erhält zu wenig Tageslicht und führt häufig ein unregelmäßiges Leben. Dies könnte ebenfalls seinen Anteil am Auftreten von Kopfschmerz bei entsprechend empfindlichen Menschen haben.

  • Quellenangaben
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