Migräne am Strand – Macht Urlaub Kopfschmerzen?

Endlich ist es geschafft: Die Urlaubszeit ist da. Sobald die Anspannung des Arbeitsalltags abfällt, kann es einem doch nur richtig gut gehen – endlich einmal in den Tag hineinleben, den Kopf frei bekommen, sich entspannen und erholen. Migräne im Urlaub: das scheint unmöglich, denn wo der Alltagsstress nicht ist, kann die Migräne einen nicht finden – so würde man denken. Tatsächlich aber kann sich auch in den Ferien die Migräne einstellen, bei manchen Betroffenen sogar vermehrt. Was steckt dahinter?

Migräne als „Freizeitkrankheit“?

Das Phänomen der „leisure sickness“(zu Deutsch „Freizeitkrankheit“) ist vielen nicht unbekannt: Kaum soll die freie Zeit beginnen, streikt der Körper und zwingt uns zur Ruhe – gerade dann, wenn viele schöne Erlebnisse anstehen. Laut einer niederländischen Untersuchung leiden etwa drei Prozent der Bevölkerung regelmäßig an diesem Phänomen. Die Befragung ergab auch, dass die Betroffenen vor allem über das vermehrte Auftreten von Migräneattacken klagten. Dabei ist, laut der Studie, nicht entscheidend, welches Geschlecht man hat oder ob man zum Beispiel als Single oder in der Großfamilie lebt. Entscheidend sei, dass es allen Betroffenen schwerfalle, in der Freizeit loszulassen und abzuschalten, so heben die Forscher und Forscherinnen hervor.

Warum kommt die Migräne auch nach dem Stress?

Dass Stress ein entscheidender Faktor bei der Auslösung von Migräneattacken ist, konnte in der Forschung hinreichend belegt werden. Doch spricht dies nicht gerade gegen die „leisure sickness“-These, also der Häufung von Attacken gerade an vermeintlich stressfreien Wochenenden und in den Ferien? Was zunächst widersprüchlich scheint, ergibt doch einen Sinn. Entscheidend ist nämlich nicht, dass die migränegeplagte Freizeitphase selbst stressfrei für uns ist, sondern dass sie sich nach besonders stressigen Phasen abspielt. „Poststress“-Phasen mit einer Zunahme von Migräneattacken sind amerikanischen Forschern zufolge vor allem dadurch gekennzeichnet, dass das empfundene Stresslevel mit Beginn der Freizeit-Phase sehr plötzlich abfällt. Und genau diese plötzlichen Umstellungen scheinen für Migräne-Betroffene eine besondere Herausforderung darzustellen.

Stress und „Poststress“

Auch in Deutschland hat man zu diesen Erscheinungen geforscht und interessante Zusammenhänge entdeckt. Einer davon: Nicht die Tatsache, dass wir an den Wochenenden und in den Ferien wenig oder keinen Stress empfinden, führt also dazu, dass wir in unserer Freizeit an Migräneattacken leiden können. Entscheidend für die Entstehung der Migräne ist, dass wir in unserem Alltag immer wieder oder dauerhaft zu viel Stress empfinden – und ein plötzlicher Abfall des Stresses uns dann überfordern kann und wir nicht in der Lage sind, den Alltagsstress in der Freizeit wirklich loszulassen.

Was kann ich tun?

Äußere Stress-Faktoren lassen sich nicht immer vermeiden. Was sich aber lernen lässt, ist einen Ausgleich zu finden und loszulassen. Eine deutsche Studie aus dem Jahr 2020 hat gezeigt, dass für die Erholung zwei Faktoren ausschlaggebend sind: Das Loslassen von Gedanken, die durch Arbeitsthemen dominiert sind und eine generell positive Einstellung gegenüber der eigenen Arbeit.

1. Den Alltag positiv verabschieden

Letzteres lässt sich laut einer Studie zum Beispiel erreichen, indem man am Ende eines Arbeitstages an erfreuliche Ereignisse des Tages zurückdenkt. Versuchen Sie etwa, als letzte Amtshandlung nach einem langen Tag, einen Rückblick auf die schönen Ereignisse zu werfen. Wer will, kann dazu etwa auf einem Papier notieren, was heute besonders interessant oder motivierend war oder und auf welchen Teil des nächsten Tages es sich zu freuen lohnt. Durch eine solche kurze Rückschau lässt sich ein positives Verhältnis zum Alltag gewinnen. Gleichzeitig entsteht so ein klarer Abschluss des Tages gegenüber dem Abend, dem Wochenende oder dem Urlaub.

2. Loslassen lernen

In derselben Untersuchung konnte gezeigt werden, dass es Menschen, denen es gelingt, nach der Arbeit die Gedanken nicht mehr auf die Arbeit zu richten, eine deutlich effektivere Erholung empfanden als solchen, denen dies nicht gelang. Wenn Sie also eine Betätigung oder ein Ritual haben, das Ihren Kopf frei werden lässt und sich gut in den Alltag einbauen lässt, sollten Sie dieser willkommenen Ablenkung regelmäßig nachkommen – und sei der Alltag gerade noch so stressig. Eine halbe Stunde zum Sportmachen, Musikhören oder die Natur genießen lässt sich fast jeden Tag „dazwischenschieben“. Ein guter Tipp ist hier etwa die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson (Link).

3. Rituale mit in den Urlaub nehmen

Wer es schafft, im Alltag eine gesunde Praxis des Ausgleichs und des Loslassens zu haben, der wird den Übergang zum Urlaub viel sanfter erleben. Für Migränebetroffene ist für einen gelungenen Start in die Ferien aber ein weiterer Faktor besonders entscheidend: die Regelmäßigkeit im Tagesablauf: Schlaf zu möglichst gleichbleibenden Zeiten, regelmäßige Essens- und Trinkzeiten zum Ausgleich des Energiehaushalts und wiederkehrende Phasen der bewussten Entspannung sind die Eckpfeiler der Migränevorbeugung.

4. Auch im Urlaub die Kopfgesundheit nicht aus dem Blick verlieren

Wenn Sie darüber nachdenken, was im Urlaub anders ist als im Alltag, fällt Ihnen vielleicht auf, dass nicht nur Arbeitspensum und Stresslevel anders sind, sondern dass sich auch viele grundsätzliche Abläufe in der Versorgung des Körpers verschieben. Wir schlafen etwa länger im Urlaub oder essen später zu Abend. Machen Sie sich daher auch im Urlaub bewusst, dass Regelmäßigkeit im Tagesablauf für die Migränevorbeugung sehr wichtig ist. Natürlich ist man froh darüber, auch mal ausschlafen und sich entspannen zu können und nicht ständig an die nächste Mahlzeit oder das obligatorische Glas Wasser zu denken – doch sind es eben diese kleinen Maßnahmen, die helfen, den Urlaub schmerzfrei zu erleben.

5. Nicht stören, sondern erinnern lassen

Damit Sie in Ihrer freien Zeit nicht all diese Dinge ständig im Kopf behalten müssen, können Sie sich bei der gesunden Gestaltung Ihrer freien Tage gut von unserer App helfen lassen. Sie sendet Ihnen beispielsweise zu fest eingestellten Zeiten Push-Nachrichten – so bleibt der Kopf frei für Anderes. Und zum Schluss ein kleiner Hinweis mit großer Wirkung: Wenn Sie an den freien Tagen auch einmal gemütlich ausschlafen, aber ohne Migräne aufwachen wollen, sollten Sie besonders auf die kleine Bettmahlzeit vor dem Schlafengehen achten. Dies ist ein wirksames Mittel der Migränevorbeugung, und wenn der Schlaf mal etwas länger wird, besonders wichtig. Warten Sie am nächsten Morgen außerdem nicht zu lange mit dem Frühstück – denn auch im Urlaub ist die gleichmäßige Energieversorgung des Gehirns Trumpf!

  • Quellenangaben
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