Immer erreichbar: Digitaler Stress und seine Folgen

Digitaler Stress gerät immer mehr in den Fokus der Forschung. Was macht es mit uns, dass wir in fast all unseren Lebensbereichen von digitalen Medien umgeben sind? Wann spricht man von digitalem Stress und was für Auswirkungen kann er haben?

Gesundheitsgefahren durch Digitalen Stress

Eine recht neue Erscheinung ist seit einiger Zeit in den Blickpunkt der Wissenschaft gerückt. Die Rede ist vom sogenannten digitalen Stress. Dieser entsteht dadurch, dass wir oft von vielen digitalen Geräten umgeben sind und diese häufig und lange nutzen. Nicht selten ist digitaler Stress auch mit Kopfschmerzen verbunden.

Fast überall anzutreffen: Digitale Medien

Für viele Menschen ist der Computer aus dem Arbeitsalltag nicht wegzudenken. Viele von uns verbringen bei unserer Tätigkeit Stunden vor dem Bildschirm. Zuhause nutzen wir den Laptop, um an Informationen zu gelangen, Bestellungen zu tätigen oder Reisen zu planen. Aber damit nicht genug: Für Viele ist das Tablet häufiger Begleiter beim Internet-Surfen in der Freizeit. Das Smartphone ist ohnehin fast immer dabei. Mit ihm telefonieren wir nicht nur, sondern verschicken Nachrichten, rufen Emails ab, nutzen soziale Netzwerke oder lassen uns durch Apps im Alltag helfen. All das zusammen kann zu digitalem Stress führen.

Was ist digitaler Stress?

Von digitalem Stress spricht man bei häufiger oder gar ständiger Nutzung von Geräten der
Informations- und Kommunikationstechnik. Es ist gerade die ständige Verfügbarkeit der Medien für die Nutzer, die dadurch ungeheuer großen Mengen an Informationen ausgesetzt werden. Überforderung und Stress sind oft die Folgen.
Die Wissenschaft hat zu diesem Thema beispielsweise die Generation der jungen Erwachsenen eingehend unter die Lupe genommen. Die Resultate: Zwar sind die nützlichen Seiten des Gebrauchs von Smartphone, Tablet und Co. zur Erleichterung des Alltags nicht von der Hand zu weisen. Andererseits stellen fast alle Untersuchungen übereinstimmend fest, dass die Nutzung von so viel Digitalem ein Risiko für unsere Gesundheit darstellen kann.

Forschungen über unseren Umgang mit diesem Alltagsbegleiter zeigten schon früh ein höheres Vorkommen von Stresserscheinungen. Besonders junge Erwachsene im Alter zwischen 20 und 24 Jahren waren betroffen, wie aus Erhebungen aus dem Jahre 2011 hervorgeht. In dieser Altersgruppe, die von jeher dafür bekannt ist, besonders intensiven Gebrauch von ihrem Smartphone zu machen, fand man einen Zusammenhang mit dem Auftreten von Schlafstörungen und Anzeichen von Depression. Beides kann wiederum eine Ursache für Kopfschmerzen sein.
Doch wenn übermäßiger Smartphone-Gebrauch uns Stress verursacht, warum legen wir das Handy nicht öfter einmal einfach zur Seite oder lassen es zuhause, wenn wir unterwegs sind?

Die Angst, etwas zu versäumen, bereitet Stress

Es ist unsere Angst, etwas zu verpassen, die immer wieder dazu verführt, das Smartphone unbedingt in allen Lebenslagen greifbar zu haben. Mehr noch, sie zwingt uns geradezu, regelmäßig nachzusehen, ob eine Nachricht eingegangen ist oder jemand versucht hat, uns zu erreichen. Dies zeigen neuere Forschungsarbeiten aus dem Bereich der Psychologie. Hinzu kommt eine allgegenwärtige Angst, dass andere Menschen bereichernde Erlebnisse haben, die man selbst verpasst. Man fürchtet sich, „außen vor“ statt wie alle anderen „mittendrin“ zu sein. Dieses Gefühl kann, so die Forscher, letztlich dazu führen, dass wir weit über ein für uns gesundes Maß hinaus am Smartphone aktiv sind.

Überraschende Wirkung des Handys

Das Smartphone kann uns sogar dann beeinflussen, wenn wir gar nicht damit rechnen. Wir alle kennen den Fall, dass wir an einer Sache arbeiten, die unsere volle Aufmerksamkeit erfordert, aber immer wieder durch Handy-Benachrichtigungen verschiedenster Ursache aus unserem Gedanken gerissen werden. Eine Untersuchung dazu konnte zeigen, dass solche Ablenkungen dazu führen, dass wir unsere geistige Leistungsfähigkeit nicht voll ausnutzen können, solange das Gerät erreichbar ist – sogar dann, wenn es abgelegt ist und wir vermeintlich konzentriert arbeiten.
Man fand nämlich heraus, dass die Aufmerksamkeit für die aktuelle Arbeit auch dann vermindert ist, wenn wir das Smartphone mit dem Bildschirm nach unten auf den Tisch legen oder es stumm- oder ausschalten. Das bedeutet: Die bloße Anwesenheit des Smartphones stört das konzentrierte Arbeiten und beeinträchtigt die Ergebnisse unseres Tuns. Diese kuriosen Befunde legen nahe, dass nur die konsequente räumliche Trennung der Nutzer*innen von ihren Smartphones sie vor Einbußen in ihrer Leistungsfähigkeit bewahren kann.

Digitaler Stress und Kopfschmerzen

Darüber, dass Stress ein entscheidender Faktor bei der Entstehung von Kopfschmerzen und Migräne ist, sind sich Mediziner*innen einig (siehe dazu auch den Artikel auf unserer Webseite). Dass digitaler Stress die Kopfschmerzbelastung von Betroffenen verschlimmern kann, liegt also nahe. Dies konnte man in einer aktuellen, groß angelegten deutschen Studie mit über 5000 Studienteilnehmer*innen nachweisen. Mehr als die Hälfte der Befragten (55%) bezeichnete sich selbst als stark digital gestresst. Die Betroffenen litten regelmäßig unter Kopfschmerzen. Unter den weniger Belasteten waren es immerhin noch 30 Prozent, die davon berichteten.
Bei digital stark gestressten Arbeitnehmer*innen war zudem der Anteil derjenigen um 25 Prozentpunkte höher, die mit nächtlichen Schlafstörungen zu kämpfen hatten. Allgemein körperlich erschöpft fühlten sich 38 Prozent der digital Gestressten – ganze 22 Prozentpunkte mehr als bei den weniger Gestressten. Auch der Zustand der emotionalen Erschöpfung war um 27 Prozentpunkte höher.
Digitaler Stress kann also Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben und zudem eine unmittelbare Ursache für Kopfschmerzen sein.
Die Wissenschaftler*innen empfehlen daher, über Maßnahmen nachzudenken, die unseren digitalen Stress vermindern.

Wie können wir gegensteuern?

Die genauen Zusammenhänge von digitalem Stress und seinen möglichen gesundheitlichen Folgen erfordern noch eine Menge Forschungsarbeit.
Inzwischen sind fast alle unsere Lebensbereiche von digitalen Medien beeinflusst. Natürlich wird niemand die Vorteile infrage stellen, welche die Digitalisierung für unser Leben mit sich bringt. Dennoch sollten wir ein achtsames Nutzungsverhalten entwickeln. Manchmal tut eine gewisse „digitale Enthaltsamkeit“ gut.
Dazu gehört beispielsweise das Einhalten von Bildschirmpausen am Arbeitsplatz – und zwar ohne in dieser Pause das private Smartphone zu zücken. Auch der bewusste Verzicht auf den ständigen Zugriff auf das Handy kann segensreich wirken. Öfter mal für einige Stunden das Handy aus dem Raum verbannen oder es gar nicht erst mitnehmen – auf die Wanderung mit Freund*innen, zur Besorgung um die Ecke oder zum Konzert.
So vermindern wir unseren digitalen Stress erheblich, sind besser bei der Sache, und schonen unser Nervenkostüm. Und darüber hinaus dürften uns auch Kopfschmerzen weit seltener plagen.

  • Quellenangaben
    • Cain J. It's Time to Confront Student Mental Health Issues Associated with Smartphones and Social Media. Am J Pharm Educ. 2018 Sep;82(7):6862. doi: 10.5688/ajpe6862. PMID: 30323396; PMCID: PMC6181159.
    • Fischer T, Reuter M, Riedl R. The Digital Stressors Scale: Development and Validation of a New Survey Instrument to Measure Digital Stress Perceptions in the Workplace Context. Front Psychol. 2021 Mar 12;12:607598. doi: 10.3389/fpsyg.2021.607598. PMID: 33776836; PMCID: PMC7994533.
    • Gimpel H, Berger M, Regal C, Urbach N, Kreilos M, Becker J, Derra ND. Belastungsfaktoren der digitalen Arbeit: Eine beispielhafte Darstellung der Faktoren, die digitalen Stress hervorrufen. Augsburg: Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT (2020). doi: 10.24406/fit-n-581326.
    • Steele RG, Hall JA, Christofferson JL. Conceptualizing Digital Stress in Adolescents and Young Adults: Toward the Development of an Empirically Based Model. Clin Child Fam Psychol Rev. 2020 Mar;23(1):15–26. doi: 10.1007/s10567-019-00300-5. PMID: 31392451.
    • Ward AF, Duke K, Gneezy A, Bos MW. Brain Drain: The Mere Presence of One’s Own Smartphone Reduces Available Cognitive Capacity. JACR 2017 Apr 3;2(2):140–154. doi: 10.1086/691462.
    • Yang CC, Holden SM, Ariati J. Social Media and Psychological Well-Being Among Youth: The Multidimensional Model of Social Media Use. Clin Child Fam Psychol Rev. 2021 Sep;24(3):631–650. doi: 10.1007/s10567-021-00359-z. Epub 2021 Jun 24. PMID: 34169391