Migräne und Ernährung – Zusammenhänge und Richtlinien

Der Einfluss der Ernährung auf Kopfschmerzen ist eines der umstrittensten Themen unter Betroffenen und Expert*innen. Besonders Migränebetroffene sehen manchmal einen direkten Zusammenhang zwischen ihrer Ernährung und dem Auftreten von Migräneattacken. In diesem Beitrag nehmen wir die wichtigsten Annahmen zum Einfluss der Ernährung auf das Migränegeschehen unter die Lupe.

Heilung durch Diäten – warum es leider nicht so einfach ist

Die Forschung beschäftigt sich schon länger mit einem möglichen Zusammenhang zwischen bestimmten Ernährungsweisen und dem Auftreten von Migräneattacken. Dennoch ist es nicht ganz einfach, auf diesem Gebiet zu gesicherten Erkenntnissen zu kommen. Die vermeintlichen Einsichten über die beste Ernährungsweise des Menschen widersprechen sich zum Teil stark. Ganz gleich, ob man die Wirkung von Mittemeerdiät, sogenannter „ketogener“ Ernährung oder auch Intervallfasten betrachtet – die Heilsversprechen, die an solche Diäten geknüpft werden, können gar nicht alle gleichzeitig wahr sein.

Unsere Lebenswirklichkeit ist kompliziert

Den Beitrag der Ernährung zu Wohlbefinden und Gesundheit kann man nicht losgelöst von den vielfältigen anderen Lebensumständen betrachten. Werden die Bewohner*innen Sardiniens allein deshalb älter als der europäische Durchschnittsmensch, weil sie sich hauptsächlich nach der sogenannten Mittelmeerdiät ernähren? Oder spielen auch andere Faktoren eine entscheidende Rolle: die Lebensweise, das Wetter, vererbte Veranlagungen, Stresserleben? Und weshalb sollte beispielsweise Intervallfasten jeden Menschen fitter, gesünder und schlanker machen und zudem lebensverlängernd wirken, obwohl diese Ernährung der Mittelmeerdiät der Sarden vollständig widerspricht? Eine Untersuchung, die wissenschaftlichen Grundsätzen entspricht, erweist sich als nahezu unmöglich. Zu zahlreich sind die vermuteten Einflüsse und zu widersprüchlich die angenommenen Auswirkungen der Ernährungsgewohnheiten.

Migräne: Eine Ursache, viele Auslöser

Bei der Migräne muss man sauber zwischen der Ursache der Erkrankung und den Auslösern von Attacken unterscheiden. Die Kopfschmerzforschung konnte innerhalb der letzten Jahre nachweisen, dass Migräne eine genetische Ursache hat und somit in den Erbanlagen der Betroffenen verankert ist. Die Veranlagung zur Migräne ist also angeboren. Das bedeutet, dass manche Menschen die Veranlagung dazu haben, Migräneattacken zu bekommen und andere nicht. Damit ein Mensch mit der Veranlagung zur Migräne tatsächlich eine Migräneattacke bekommt, müssen bestimmte Auslöser gegeben sein. Die Auslöser für Migräneattacken können sich bis zu einem gewissen Grad zwischen den Betroffenen unterscheiden. Die Gefahr von Migräneattacken ist bei Menschen ohne die ererbte Veranlagung eher gering.

Gehirn unter Hochspannung

Als Migräneattacken-Auslöser gelten z.B. äußere Reize wie Licht, Lärm oder Gerüche, körperliche oder psychische Belastungen, Änderungen im regelmäßigen Tagesablauf oder starke Hormonschwankungen (z.B. während des weiblichen Monatszyklus). Die Forschung nimmt an, dass das Gehirn eines Menschen mit Migräneveranlagung eine gesteigerte Reizverarbeitung hat. Reize werden schneller aufgenommen und rascher verarbeitet. So steht das Gehirn von Migränepatient*innen schnell unter ‚Hochspannung‘. Mit dieser Veranlagung geht ein besonderer Energiebedarf des Gehirns einher. Wenn im Gehirn eines Menschen mit Migräneveranlagung ein Energiemangel entsteht, können mögliche Auslöser leichter zu Attacken führen. Denn der erhöhte Energieverbrauch kann meist nicht ausgeglichen werden. Schwankungen im Blutzuckerspiegel stellen daher für Migränebetroffene eine grundsätzliche Gefahr dar, eine Attacke zu entwickeln.

Unser Gehirn und seine Nahrung – was wir wissen

Die gleichmäßige Energieversorgung ist neben dem Vermeiden von persönlichen Auslösern eine wichtige Säule in der Vorbeugung gegen Migräneattacken. Um Defizite in der Versorgung zu vermeiden, sind regelmäßige Mahlzeiten wichtig. Diese sollten Nähstoffe liefern, mit denen das Gehirn am besten zurechtkommt. Die Energiequelle für unser Gehirn ist das Kohlenhydrat Glukose. Leider verfügt unser Gehirn trotz seines hohen Bedarfs an Energie über keine großen Speicher dafür. Mehrere über den Tag verteilte Haupt- und Zwischenmahlzeiten mit ausreichendem Kohlenhydratanteil gelten nach aktuellem Forschungsstand als sicherster Weg in der Vorbeugung von Migräneattacken.
Entscheidend ist dabei, Kohlenhydrate zu sich zu nehmen, die allmählich und gleichmäßig im Körper abgebaut werden, also sogenannte komplexe Kohlenhydrate. Vollkornprodukte (Vollkornbrot, Vollkornnudeln, Haferflocken) und Hülsenfrüchte (Kichererbsen, Linsen, Erbsen und Bohnen) sind gute Lieferanten, die den Blutzuckerspiegel konstant halten.

Eine ausgewogene, vollwertige Ernährung mit regelmäßigen Mahlzeiten aus frischen, möglichst wenig verarbeiteten Lebensmitteln und einer gleichmäßigen Zufuhr von komplexen Kohlenhydraten ist also entscheidend zur Vorbeugung der Migräne. Da unser Gehirn auch nachts intensiv arbeitet, müssen die Reserven zügig aufgefüllt werden.
Betroffene, die sich angewöhnen, eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen noch einen kleinen Snack mit komplexen Kohlenhydraten (z.B. eine Scheibe Vollkornbrot oder einen ungesüßten Müsliriegel) zu sich zu nehmen, können eine Verringerung morgendlicher Attacken erreichen. Natürlich ist auch ausreichendes Trinken für Migränebetroffene unerlässlich. Wer nachvollziehen will, wie der Einfluss der Ernährung auf seine Migräne ist, kann ein Ernährungs- und Migränetagebuch führen. Es sollten der Zeitpunkt der Mahlzeiten und am besten auch ihr Inhalt dokumentiert werden. Auch das Trinken sollte man so im Blick behalten. Erkennt man Abweichungen und Unregelmäßigkeiten, kann man unter Umständen einen Zusammenhang mit den Migräneattacken dingfest machen und die Beschwerden durch aktives Gegensteuern besser in den Griff bekommen.

  • Quellenangaben
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