Lärm – ein unterschätzter Auslöser von Kopfschmerzen und Migräne?
Jeder Mensch empfindet Lärm anders. Was den einen kaum stört, bringt andere an den Rand des Erträglichen. Die Geräusche, die uns ständig umgeben, sind für viele Menschen eine spürbare Belastung. Dabei steht für viele der Verkehrslärm, der in den vergangenen Jahren immer mehr zugenommen hat, an erster Stelle. Viele Wohngebiete in der Nähe von Flughäfen sind außerdem von Fluglärm betroffen. Dies scheint der Preis zu sein für eine Gesellschaft, die in Beruf und Freizeit stets rastlos und ständig unterwegs ist.
Auch die – zumindest gefühlt – in wachsender Zahl eingerichteten Baustellen tun ein Übriges, so dass für viele Menschen die sprichwörtliche Schmerzgrenze erreicht ist. Aus dem vielstimmigen Krach der Umgebung entsteht eine ernste Gesundheitsgefährdung. Diese kann unter anderem Migräneattacken oder Kopfschmerz vom Spannungstyp auslösen.
Die Wissenschaft lieferte Beweise
Der Zusammenhang zwischen Lärmbelastung und gesundheitlicher Beeinträchtigung wurde keineswegs immer anerkannt - im Gegenteil: Viele Patienten, die ihre Dauerkopfschmerzen mit dem Krach in der Umgebung in Verbindung brachten, hielt man für überempfindlich oder tat sie als Nörgler ab.
Es ist der Wissenschaft zu verdanken, dass sich dies inzwischen geändert hat. Denn die Forschung konnte zahlreiche Belege dafür liefern, dass Lärm Kopfschmerzereignisse auslösen oder verschlimmern kann.
So hat man beispielsweise herausgefunden, dass viele Migränepatienten besonders empfindlich gegenüber Lärm sind. Bei dieser Gruppe von Versuchsteilnehmern war die Geräuschlautstärke, bei der sich ein starkes Unbehaglichkeitsgefühl entwickelte, viel niedriger als bei Personen, die nicht von Migräne betroffen waren.
Außerdem wurde gezeigt, dass Lärm besonders häufig Kopfschmerzen auslöst, wenn man gerade seine ganze Aufmerksamkeit für die Arbeit benötigt. Kein Wunder also, wenn das Resultat unter der Einwirkung von Krach leidet oder bei den Betroffenen lärmbedingte Kopfschmerzen entstehen.
Dabei scheint es nicht ausschlaggebend zu sein, dass es ohrenbetäubend laut zugeht. Vermutlich reicht es schon aus, wenn eine Geräuschkulisse deutlich wahrnehmbar über einen längeren Zeitraum einwirkt und man dieser nicht ausweichen kann. Auch daraus erwächst eine Belastung, die Kopfschmerzen und Migräne begünstigt.
Die Wissenschaft konnte auch die Vermutung widerlegen, wonach junge Menschen weniger lärmempfindlich seien als ältere, weil in dieser Bevölkerungsgruppe hohe Lautstärken – gerade in der Freizeit - oft als normal angesehen werden. Bei einer Untersuchung an Migräne-betroffenen Kindern und Jugendlichen zwischen 7 und 17 Jahren ergab sich ein völlig anderes Bild. Diese zählten nämlich Lärm zu den häufigsten Auslösern ihrer Migräneattacken.
Lärm schadet der ganzen Gesundheit
Eine Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nahm die gesamtgesundheitlichen Auswirkungen von Alltagslärm (Straßenverkehr, Nachbarschaft, Flugzeuge, Großstadt) in den Blick und fand immense Beeinträchtigungen. Neben dem verstärkten Auftreten von Migräneattacken wurden Bluthochdruck, Allergien und Atemwegserkrankungen als Folgen der Lärmeinwirkung nachgewiesen. Fachleute geben zu bedenken, dass gerade die Dauerbelastung, die schon im Kindes- und Jugendalter beginnt, die Entstehung von bleibenden, so genannten chronischen Erkrankungen begünstigt.
Was kann man tun?
Weil Lärm fast allgegenwärtig ist, scheint man kaum eine Chance zu haben, seiner schädlichen Wirkung zu entrinnen. Doch man kann auch hier vorbeugend tätig werden. Gegen starken Alltagslärm sollte man das Tragen von Gehörschutz (z.B. in Form von Ohrstöpseln) in Erwägung ziehen.
Nutzt man Kopfhörer zum Musikgenuss, ist Zurückhaltung angebracht. Soll die Musik aus dem Kopfhörer die Geräusche einer lauten Umgebung überdecken, ist die benötigte Lautstärke so groß, dass Gefahr für die Gesundheit besteht.
Neben dem Einhalten von Grenzwerten in Beruf und Freizeit liefern die gezielte Nutzung von Ruhepausen und Zeiten der Erholung einen wertvollen Ausgleich. Entspannungsübungen helfen, angestaute Verspannung zu lösen und zudem unseren Sinnesorganen ein wenig Ruhe zu verschaffen. Eine empfehlenswerte Übung findet man auf dieser Website.
Das sicherste Mittel gegen die schädliche Wirkung von Lärm besteht in einem Beitrag, den jeder leisten kann: Lärm schon bei der Entstehung vermeiden, wo immer das möglich ist.
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Quellenangaben
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