Wie entsteht Spannungskopfschmerz?

Der Kopfschmerz, den die meisten Menschen kennen, ohne seinen Namen zu wissen, ist der sogenannte „Kopfschmerz vom Spannungstyp“ – auch „Spannungskopfschmerz“ genannt. In der Wissenschaft wird er oft mit „TTH“ abgekürzt (für englisch: „Tension Type Headache“). Spannungskopfschmerz ist die am weitesten verbreitete Kopfschmerzart. Weil ihn so viele aus eigener Erfahrung kennen, wird er leicht als etwas abgetan, das man nicht verhindern kann. Dabei sollte gerade seine weite Verbreitung dazu beitragen, dass Spannungskopfschmerz ernstgenommen wird.

Sind Kopfschmerzen normal?

Weil Kopfschmerzen als normal gelten, sehen Betroffene oft keinen Anlass dazu, zum Arzt zu gehen. Eine häufige Überzeugung ist: Kopfschmerzen sind etwas, das man eben von Zeit zu Zeit hat. Betroffene diagnostizieren ihren Kopfschmerz meist selbst. Häufig nehmen sie zur Linderung Medikamente in Eigenregie ein. Dabei gilt eigentlich: Verschiedene Kopfschmerzarten haben verschiedene Ursachen und müssen unterschiedlich behandelt werden. Das macht eine korrekte ärztliche Diagnose unerlässlich. Auch sollte die Anwendung von Schmerzmitteln immer ärztlich betreut und gut beobachtet werden. Neben den allgemeinen Nebenwirkungen, die solche Medikamente haben können, kann die falsche Einnahme dazu führen, dass Betroffene einen sogenannten „Medikamentenübergebrauchskopfschmerz“ entwickeln. Das ist eine sehr belastende Kopfschmerzart, die eine umfassende Behandlung erfordert.

Kopfschmerz vom Spannungstyp ist weit verbreitet

Beim Kopfschmerz vom Spannungstyp liegt das Ein-Jahres-Vorkommen in der Altersgruppe der 12- bis 41-Jährigen bei etwa 86%. Das heißt, dass 86% dieser Menschen innerhalb eines Jahres mindestens einmal an Spannungskopfschmerz leiden. Das ist ein beachtlicher Anteil. In einer weiteren Studie wird der Häufigkeits-Höhepunkt in der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen festgestellt. Danach kommt diese Kopfschmerzart mit steigendem Alter seltener vor. Weltweit betrachtet dürfte die Zahl bei bis zu 2 Mrd. Menschen liegen. Mit diesem enormen Wert ist Kopfschmerz vom Spannungstyp die dritthäufigste Erkrankung überhaupt.

Die Häufigkeit von Spannungskopfschmerz reicht nach Angaben von Betroffenen von etwa wöchentlich (10%) bis zu mehrmals im Monat (24–37%). Zwei bis drei Prozent berichten von sehr häufigen oder gar ständigen Kopfschmerzattacken vom Spannungstyp. In solchen Fällen spricht man auch von einer „chronischen“ Erkrankung. Manche Patient:innen leiden zusätzlich unter Migräne. Bei chronischen Verläufen sind weitere, damit eihergehende Krankheiten besonders häufig. Dazu zählen beispielsweise Erkrankungen des Depressions-Formenkreises oder auch Stimmungs- oder Angststörungen. Als chronisch wird der Spannungskopfschmerz klassifiziert, wenn mehr als 15 Attacken pro Monat auftreten. Die meisten Betroffenen haben weit selteneren, sogenannten „episodisch“ auftretenden Kopfschmerz vom Spannungstyp mit höchstens 15 Attacken pro Monat. Aber auch das kann mitunter eine große Belastung mit merklichen Einschnitten im Leben der Betroffenen darstellen.

Kopfschmerz vom Spannungstyp – untererforscht?

Die Erforschung von Kopfschmerz ist allgemein nicht unkompliziert. Seiner Entstehung liegen oft komplizierte Vorgänge zugrunde, die sich nicht einfach sichtbar machen und erklären lassen. Bis heute wird über Ursachen und Zusammenhänge hinter den verschiedenen Kopfschmerzarten geforscht. Immer wieder gibt es entscheidende neue Erkenntnisse, gängige Annahmen werden laufend überarbeitet, Vermutungen bisweilen auch widerlegt. Auch zu Ursache und Entstehung des Kopfschmerz vom Spannungstyp werden schon seit geraumer Zeit Untersuchungen angestellt, die bis heute verschiedene Erklärungsansätze hervorbrachten.

Zieht man einen Vergleich mit der Migräne, die bei einer Verbreitung von bis zu 15% in der Bevölkerung ebenfalls zu den häufigen Formen der Kopfschmerzerkrankungen zählt, ist der Spannungskopfschmerz deutlich weiter verbreitet. Trotzdem ist er unter dem Strich weit weniger eingehend untersucht. Das könnte daran liegen, dass dieser Kopfschmerz als Alltäglichkeit abgetan wird. Und das, obwohl er eine starke Behinderung im Alltag darstellt.

Neue Erkenntnisse zur Entstehung

Führende Forscher:innen teilen die Auffassung, dass die Entstehung von Spannungskopfschmerzen viele Ursachen hat. In der Regel spielen Einwirkungen der Umgebung eine wichtige Rolle. Im Körper sind wahrscheinlich vor allem Schmerzregulationsvorgänge entscheidend, die falsch gesteuert sind oder aus dem Ruder laufen. Dabei kommt es vermutlich zu dauerhaften, schmerz-auslösenden Signalen, durch die die Schmerzempfindlichkeit hochreguliert wird. Schon kleine Reize, die sonst unbeantwortet bleiben würden, führen dann zu einer Schmerzwahrnehmung. Eine derart gesteigerte Reizbarkeit des Schmerzsystems birgt immer auch die Gefahr, dass die Kopfschmerzen dauerhaft auftreten.

Neue Untersuchungen machen drei Sachverhalte aus, die bei der Entstehung der Kopfschmerzen vom Spannungstyp von zentraler Bedeutung sind:

1. Verspannungen im Kopfbereich

Der Schädelknochen ist von einer Hülle aus Bindegewebe bedeckt. Hier können Verspannungen auftreten. Wahrscheinlich liegt ihnen die Aktivierung bestimmter Schmerz-Sensoren (sogenannter „Nozizeptoren“) zugrunde. Diese befinden sich beispielsweise rund um die Blutgefäße der Muskulatur, an den Sehnen und in Teilen des Bindegewebes. Man konnte einen engen Zusammenhang zwischen der Stärke und Häufigkeit der Reizung dieser Sensoren und dem Ausmaß der Verspannungen der Kopfmuskulatur aufzeigen. Außerdem ist bekannt, dass starke Muskelverspannungen mit einer Senkung der Schmerzschwelle einhergehen, sodass Schmerz eher und stärker empfunden wird. Hinzu kommen dann Entzündungen und eine schlechtere Durchblutung der betroffenen Bereiche.

2. Auslösende Trigger-Punkte

Ein Trigger-Punkt ist eine besonders empfindliche Stelle, die eng mit der darunter befindlichen Muskulatur und dem umliegenden Bindegewebe (den sogenannten „Faszien“, daher auch: „myofasziale“ Triggerpunkte) verbunden ist. Wenn ein solcher Punkt gedrückt oder gedehnt wird, kommt es zur Schmerzwahrnehmung. Solche Trigger-Punkte wurden an vielen Stellen der Kopf-und Halsmuskulatur nachgewiesen. Bei Patient:innen, die unter chronischem Kopfschmerz vom Spannungstyp leiden, ist die Aktivierung der Trigger-Punkte mit einem besonders starken und langanhaltendem Kopfschmerz verbunden. Nach einem Ansatz, welche Heilbehandlung man für solche Punkte anwenden kann, wird derzeit noch geforscht.

3. Erleichterte Schmerz-Erregbarkeit

Wie oft und wie stark Spannungskopfschmerz empfunden wird, hängt auch mit einer erhöhten allgemeinen Erregbarkeit der Nerven im Kopfbereich zusammen, der sogenannten „Sensibilisierung“ (vom lateinischen „sensibilis“, wahrnehmbar). Eine wichtige Rolle spielt dabei der der Trigeminusnerv, der für die Versorgung weiter Teile des Kopfes von großer Bedeutung ist. Dieser Nerv kann sowohl für eine stärkere Erregbarkeit der schmerzverarbeitenden Nerven sorgen als auch an einer Abschwächung der Schmerzunterdrückung beteiligt sein. Dies kann wiederum dazu führen, dass Verspannungen stärker werden - ein echter Teufelskreis entsteht.

Das umgebaute Gehirn: Spannungskopfschmerz hat sichtbare Folgen

Kopfschmerz vom Spannungstyp wirkt sich auf die Beschaffenheit von bestimmten Teilen des Gehirns aus. Das konnte man inzwischen durch bildgebende Verfahren (wie z.B. die Magnet-Resonanz-Tomographie, MRT) nachweisen. Was sich im Gefüge verändert, ist offenbar vor allem die sogenannte „graue Substanz“ des Gehirns. Sie befindet sich im äußeren Bereich des Großhirns und enthält vor allem die Zellkörper der Nervenzellen. Teile der grauen Substanz wirken bei der Schmerzverarbeitung mit. Bildlich darstellen ließ sich eine Verminderung des Rauminhalts dieser Areale, also eine Art Schrumpfungsvorgang. Das Ausmaß war dabei unmittelbar gekoppelt an die Dauer der Kopfschmerzattacken. Bei Patient:innen mit chronischem Kopfschmerz vom Spannungstyp waren die Veränderungen besonders ausgeprägt.

Als mögliche Erklärung geben die Verfasser:innen der wissenschaftlichen Veröffentlichung an, dass die ständige Beanspruchung der betreffenden Hirnareale im Rahmen der beschriebenen Sensibilisierung solche Veränderungen auslösen könnte. Die Befunde konnte man inzwischen durch weitere Untersuchungen untermauern. Demnach wirkt sich die Dauerbeanspruchung bestimmter Gehirnbereiche durch starke Schmerzsignale nicht nur auf den Rauminhalt, sondern auch auf die Beschaffenheit der betroffenen Bereiche aus.

Hilfe zur Selbsthilfe

Natürlich gibt es Schmerzattacken, bei denen der kurzzeitige Einsatz von Schmerzmitteln Sinn und Berechtigung hat. Die Einnahme sollte aber immer ärztlich betreut und überwacht werden. Nur so lässt sich sicherstellen, dass man die Entstehung eines sogenannten Medikamentenübergebrauchskopfschmerzes vermeidet. Schmerzmedikamente und Mittel gegen Migräne lindern bei korrekter Einnahme die Schmerzen kurzfristig. Sie beheben aber deren Ursache nicht. Damit sind sie keine nachhaltige Lösung des Problems.

Wenn man schon bei der Entstehung der Kopfschmerzen ansetzen will, muss das persönliche Leben der Betroffenen in den Blick genommen werden: Alltagsgestaltung und -erleben sind entscheidende Faktoren für die Entstehung von Kopfschmerzen. Bei Spannungskopfschmerzen spielt das Aufkommen und Empfinden von Stress eine herausragende Rolle. Darum ist ein möglichst guter Umgang mit Stress entscheidend bei der Vorbeugung von Spannungskopfschmerz. Betroffene können versuchen, den jeweiligen Umgang mit Stress, also ihr „Stress-Management“, zu verbessern. Hierbei können sie sich auch fachgerecht begleiten lassen. In einer sogenannten „kognitiven Verhaltenstherapie“ beispielweise bekommen die Betroffenen Anleitungen, Mittel und Übungen an die Hand, um mit Stress ‚gesünder‘ umzugehen.

Was das Risiko für Kopfschmerzattacken nachweislich in erheblichem Maße senken kann, ist die Anwendung von praktisch gut erprobten Entspannungstechniken. Besonders bewährt hat sich hier die „Progressive Muskelentspannung“ nach Jacobson, die in der Kopfschmerzbehandlung schon lange mit großem Erfolg eingesetzt wird. Diese Anwendung ist so leicht zu erlernen, dass Betroffene sie selbständig in ihren Alltag einbauen können. Eine ‚handliche‘ Ausführung von zehn Minuten Länge findet sich in der App und hier auf der Homepage. Auch Physiotherapie, mit gezieltem Einsatz von Massage oder Übungen zur Auflockerung der Muskulatur von Kopf und Nacken, kann zur Vorbeugung beitragen. Regelmäßige Bewegung ist außerdem wichtig. Auch sie trägt zur Entspannung bei. Bei Spannungskopfschmerz ist leichter Ausdauersport an der frischen Luft besonders wirksam.

Für das Verständnis des eigenen Kopfschmerzes und die Umsetzung von verhaltensbasierten Vorbeugemaßnahmen kann die App eine große Hilfe sein. Sie hilft, eine Verbindung zwischen dem eigenen Verhalten und dem Auftreten von Kopfschmerzen herzustellen, und erleichtert die Umsetzung eines ‚kopffreundlichen‘ Alltags nachhaltig.

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