Kopfschmerz und Migräne – Beschäftigte in Schichtarbeit sind besonders betroffen

Die meisten Menschen sind von Natur aus darauf eingestellt, dass die verschiedenen Tätigkeiten und Ereignisse eines Tages in einer stets gleichbleibenden Abfolge angeordnet sind. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer sogenannten zirkadianen, wörtlich also etwa „auf einen Tag ausgerichteten“ Rhythmik. Diese Grundeinstellung spiegelt sich in zahlreichen Vorgängen in unserem Körper wider, etwa bei Gehirnaktivität, Blutdruck, Hormonproduktion oder Körpertemperatur. Auch unsere Schlaf-Wach-Zeiten sind Teil dieser fein justierten Abstimmung.

Bei Beschäftigten, die einer Arbeit im Schichtbetrieb nachgehen, wird diese natürlich angelegte Abfolge durchbrochen. Das kann sich auf das körperliche und seelische Wohlbefinden auswirken. Diesem Zusammenhang ist man in vielen wissenschaftlichen Untersuchungen nachgegangen. In der Mehrzahl der verfügbaren Erhebungen wurden Beschäftigte in den medizinischen Pflegeberufen untersucht. In diesem Bereich ist Schichtarbeit besonders weit verbreitet, und viele Mitarbeiter*innen sind außergewöhnlichen Belastungen ausgesetzt. Dies war bereits in Zeiten ohne Pandemie an der Tagesordnung.

Die Wissenschaft bestätigt die Gefahren

Schichtarbeit birgt grundsätzlich gesundheitliche Risiken. Das wurde in einer breit angelegten dänischen Untersuchung an mehr als 5000 medizinischen und nicht-medizinischen Mitarbeiter*innen nachgewiesen. Besonders bei weiblichen Teilnehmern war durch die Schichtarbeit die Anfälligkeit für Migräne erhöht. Männliche Kollegen hatten hingegen verstärkt mit anderen Kopfschmerzarten wie dem Kopfschmerz vom Spannungstyp zu kämpfen.

Nach Aussage vieler Erhebungen sind Kopfschmerzen und Migräne, die im Zusammenhang mit Schichtarbeit auftreten, meist nicht als isolierte Erscheinungen zu betrachten. Sie stellen vermutlich Bestandteile eines komplexen Krankheitsbildes dar. Man spricht in diesem Zusammenhang von der sogenannten „Schichtarbeits-Krankheit“ oder auch „Schichtarbeits-Störung“ (im englischen Sprachraum auch als „Shift Work Disease“ bekannt).

Dieser Annahme zufolge entwickelt sich als Auswirkung vermehrter Schichtarbeit ein vielfältig ausgeprägtes Beschwerdebild. Es kann zu Stimmungsschwankungen, Ein- und Durchschlafproblemen, depressiven Episoden, Angstzuständen und eben auch Migräne- oder Kopfschmerzattacken kommen. Unter Umständen verstärken oder verursachen sich die einzelnen Ausprägungen der Krankheit dabei sogar.

Angesichts solcher Zusammenhänge gewinnt das Thema Kopfschmerz-Vorbeugung naturgemäß erheblich an Bedeutung. Könnte man Zahl und Dauer der Attacken mithilfe vorbeugender Maßnahmen vermindern, ließe sich wahrscheinlich für das gesamte Beschwerdebild der Schichtarbeits-Krankheit eine spürbare Linderung herbeiführen.

Norwegische Wissenschaftler*innen untersuchten die Zusammenhänge bei schichtarbeitenden Pflegemitarbeiter*innen. Dabei wurde eine Häufung und Verstetigung (sogenannte Chronifizierung) von Spannungskopfschmerz sowie ein verstärktes Auftreten von Migräneattacken bei den Studienteilnehmer*innen festgestellt. Man vermutet, dass es sich dabei nicht um unmittelbare Folgen der Schichtarbeit handelt. Vielmehr sieht man eine weitreichendere, übergeordnete Schichtarbeits-Störung als ursächlich an. In diesem Licht erscheinen die Kopfschmerzbeschwerden als eine spezielle Ausprägung innerhalb des Krankheitsbildes.

Ein gestörter Tagesablauf macht krankheitsanfällig

Im Zuge der Forschungen rund um die gesundheitlichen Auswirkungen von Schichtarbeit brachte schon früh Befunde ans Licht, wonach es verschiedene „Schlaftypen“ gibt. Diese könnten auch unterschiedlich anfällig für die Erkrankungen oder Störungen sein, die im Zusammenhang mit Schichtarbeit beschrieben werden. Dazu gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall, Diabetes, Essstörungen und einige Krebsarten. Durch den aus dem Gleichgewicht geratenen Tagesrhythmus könnten bestimmte Regelkreise im Körper gestört werden. Daraus, so die Vermutung, würden sich früher oder später diese Krankheiten entwickeln. Darüber hinaus zeigen immer mehr neuere Befunde, dass Schichtarbeit eine erhebliche Belastung für das Immunsystem darstellt. Sie liefern auch Hinweise auf die zugrunde liegenden Vorgänge und erklären, wie sich ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus auf lebenswichtige Körperfunktionen auswirkt.

Gegensteuern durch Vorbeugung

Heute verfügt man über ein umfangreiches Wissen über den Zusammenhang von Schichtarbeit und Kopfschmerzgeschehen. Als zentraler Befund gilt, dass schichtarbeitende Menschen im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung in überdurchschnittlich hohem Ausmaß von Kopfschmerzerkrankungen betroffen sind. Weibliche Beschäftigte sind darüber hinaus stark den Gefahren einer Chronifizierung des Schmerzgeschehens ausgesetzt. Besonders im Pflegebereich mit seiner hohen Arbeitsbelastung und emotionalen Stressfaktoren sind die Beschäftigten überdurchschnittlich oft von Spannungskopfschmerz und Migräneattacken geplagt. Diese sind häufig Teil komplexer Beschwerdebilder, die mittel- und langfristig weitere Erkrankungen hervorrufen können. Das unterstreicht die Notwendigkeit, mit Hilfe vorbeugender Maßnahmen gegenzusteuern.

Praktische Tipps für Schichtarbeiter*innen

Das zentrale Thema: Schlaf

Bei Menschen, die Schichtarbeit nachgehen, stellt vor allem unregel¬mäßiges Schlafverhalten ein großes Problem dar. Ein zentraler Tipp ist deshalb, darauf zu achten, dass der Schlaf-Wach-Rhythmus zumindest bei Wechseln von Früh- in Spätschichten und umgekehrt so konstant wie möglich bleibt. Schwieriger wird es bei der Nachtschicht – doch auch hier gibt es einige Tipps.

So kann es helfen, in der ersten Nachthälfte für sehr helle Beleuchtung zu sorgen, z. B. durch Tageslichtlampen. Dies verschiebt das Einsetzen der Müdigkeit nach hinten. Darüber hinaus sollten, falls möglich, während der Nachschicht kurze, etwa halbstündige Schlafpausen eingelegt werden. In der zweiten Hälfte einer Nachtschicht sowie in der Spätschicht sollte kein Koffein mehr konsumiert und die Beleuchtung sollte so weit wie möglich reduziert werden. Grelle Sonne auf dem morgendlichen Heimweg ist ebenfalls kontraproduktiv. Denn wenn die Dunkelheit schwindet, stellt das körpereigene Müdemacher-Hormon Melatonin seinen Dienst ein. Der Körper wird wach und findet nicht mehr in den Schlaf. Expert*innen empfehlen daher, bei großer Helligkeit auf dem Heimweg eine Sonnenbrille zu tragen. Zu Hause angekommen sollte man das Zimmer möglichst stark abdunkeln, um rasch einzuschlafen.

Essen

Grundsätzlich ist es für Menschen, die im Schichtbetrieb arbeiten, wichtig, auch über wechselnde Schichten hinweg regelmäßig zu essen. Dabei sind als warme Hauptmahlzeit Gerichte mit magerem Fleisch und Fisch sowie kohlenhydratreichen Beilagen wie Kartoffeln, Reis oder Gemüse zu empfehlen. Kalte Mahlzeiten können aus einem bunten Salat und/oder einem reichhaltig belegten Vollkornbrot bestehen. Auch regelmäßiges Trinken ist entscheidend, ca. 2–3 Liter täglich sollten es sein.

Während Nachtschichten eignen sich zwei Nachtmahlzeiten. Im Laufe der Nacht sinkt die Körpertemperatur ab. Das signalisiert dem Körper, dass es Zeit ist zu schlafen. Eine warme Mahlzeit spendet nicht nur Energie, sondern wirkt dem Absinken der Körpertemperatur entgegen. Zudem fördert sie die Konzentration und das Wachbleiben. Wenn es nicht möglich ist, eine warme Speise zu essen, kann zu einer kalten Brotzeit ein warmer Tee getrunken werden. Die zweite Nachtmahlzeit sollte etwa zwei Stunden vor Schichtende eingenommen werden. Dadurch bleiben Konzentration und Leistungsfähigkeit erhalten. Hierfür eignen sich z. B. eine Gemüsesuppe oder ungesüßtes Früchtekompott, Milch und Milchprodukte sowie Obst und leichte Salate. Nach der Nachtschicht zu Hause angekommen sollte vor dem Schlafengehen noch ein kleines, nicht zu üppiges Frühstück gegessen werden.

Vorsicht: Ein zu reichhaltiges Frühstück sowie koffeinhaltige Getränke können zu Einschlafproblemen führen bzw. den Schlaf beeinträchtigen.

Pausen

Wer im Schichtdienst arbeitet, sollte besonders auf das Einlegen von kurzen Pausen achten – auch wenn dies etwa im Krankenhausalltag manchmal sehr schwierig ist. Die Pausen sollten möglichst an der frischen Luft verbracht werden. Auf diese Weise wird die Durchblutung unseres Gehirns und damit unsere Konzentrationsfähigkeit verbessert. Ein besonders guter Tipp ist die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, eine medizinisch erprobte und leicht zu erlernende Entspannungstechnik. Durch die bewusste Wahrnehmung der Anspannung und Entspannung der Muskeln erlebt der gesamte Körper eine tiefe Entspanntheit, was die Wirksamkeit auch vergleichsweise kurzer Pausen erhöht. Die Übung kann in der Kopfschmerzwissen-App oder hier auf der Webseite aufgerufen werden.

Tipp: Dokumentation besonders wichtig

Gerade für im Schichtbetrieb arbeitende Menschen ist die kon¬tinuierliche Dokumentation ihres Verhaltens im Rahmen eines Kopfschmerztagebuchs besonders wichtig – machen es häufig wechselnde Tagesabläufe doch besonders schwer, die individuel¬len Zusammenhänge zu erkennen, die zum Auftreten von Kopf¬schmerzen führen. Ein Hilfsmittel, mit der sich diese Dokumen¬tation besonders einfach und schnell erledigen lässt, ist die Kopfschmerzwissen-App.

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