Koffein und Kopfschmerz – was gibt es Neues?

Über die verschiedenen Aspekte von Koffein in seinen vielfältigen Darreichungsformen haben wir zuletzt im Sommer 2021 berichtet. Grund genug, uns dem aktuellen Bild in der Wissenschaft zuzuwenden und die Sicht der Dinge zu erneuern. Gerade mit Blick auf das Kopfschmerzgeschehen sind die jüngsten wissenschaftlichen Veröffentlichungen geeignet, unseren bisherigen Wissensstand um den einen oder anderen interessanten Punkt zu erweitern.

Koffein – ein Stoff mit vielfältigen Wirkungen

Koffein gehört zu den beliebtesten Inhaltsstoffen unserer Ernährung. Sein Genuss ist weltweit beliebt. So nehmen etwa 80% der Weltbevölkerung regelmäßig koffeinhaltige Lebensmittel und Getränke zu sich, viele davon täglich. Neben der anregenden und belebenden Wirkung werden dem Koffein weitere gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben. Es besitzt eine zuträgliche Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System, Diabetes oder auch Parkinson. Allerdings kann Koffein, besonders wenn es abends genossen wird, auch Schlafprobleme verursachen.

Der Stoff wird sehr schnell und zu fast 100% vom Körper aufgenommen. Das bedeutet, praktisch alles Koffein, das man beispielsweise in Getränken wie Tee oder Kaffee zu sich nimmt, kann seine Wirkung entfalten. Der Gehalt an Koffein liegt bei Filterkaffee im Bereich von ca. 100 mg pro Tasse, schwarzer Tee bringt es mit 45 mg auf deutlich weniger, grüner Tee hat etwa 30 mg. Die Wirksamkeit hält lange an. Erst nach vier bis acht Stunden hat der Körper die Hälfte der aufgenommenen Menge abgebaut.

Ein wichtiger Mitspieler: Adenosin

Der Begriff „Adenosin“ mag der Leserschaft möglicherweise bekannt vorkommen. Er wird in unserem Beitrag „Migräne: Energiemangel im Gehirn?“ vom Mai 2024 des Öfteren genannt. Dort ist von dem Stoff „Adenosin-Triphosphat“, kurz „ATP“, die Rede, dem wichtigsten Energieträger in unseren Zellen. Genau dieser Stoff stellt auch die Quelle für Adenosin im menschlichen Körper dar. Wird nämlich das ATP im Energiestoffwechsel aufgebraucht, bleibt Adenosin als „Endprodukt“ übrig.

Man nimmt an, dass so entstandenes Adenosin sich über den Tag hinweg bis in die Abendstunden hinein im Körper anreichert. Hat sein Spiegel ein bestimmtes Maß erreicht, entsteht in uns das, was wir „Schlafbedürfnis“ oder schlicht „Müdigkeit“ nennen. Adenosin spielt also eine Rolle in unserem alltäglichen Rhythmus aus Schlafen und Wachen. Somit ist es ein Bindeglied zwischen unserem Energiehaushalt und unserer Nerventätigkeit. Adenosin besitzt eine Funktion als Vermittler von Wirkungen im Nervensystem. Solche Stoffe bezeichnet man auch als „Neurotransmitter“ oder „Neuromodulatoren“ – Substanzen, die vielfältige Funktionen von Nervenzellen steuern. Diese Steuerung üben sie dadurch aus, dass sie an bestimmten Stellen auf den betreffenden Zellen, den sogenannten „Rezeptoren“, andocken und dort quasi als „Schalter“ wirken, die vielerlei Vorgänge anstoßen.

Die Gegenspieler Adenosin und Koffein

Genau hier kommt das Koffein ins Spiel. Es besitzt eine dem Adenosin sehr ähnliche chemische Struktur und ist in der Lage, mit diesem um die Besetzung der Rezeptoren zu konkurrieren – ohne jedoch die entsprechenden regulierenden Funktionen auszuüben. Hat das Koffein einen bestimmten Anteil der Andock-Stellen besetzt, kann der eigentliche Botenstoff nicht mehr in ausreichendem Maße binden und seine Wirkung nicht mehr entfalten. So lässt sich beispielsweise erklären, warum Koffein den Schlafanreiz, der von Adenosin bewirkt wird, zumindest teilweise vermindern kann. Es blockiert die Bindestellen des Botenstoffs. Diese Eigenschaft nehmen wir Menschen als „wachmachend“ wahr. Wir sind (oder fühlen uns zumindest) durch die Aufnahme von Koffein etwas leistungsfähiger und aufmerksamer als ohne diesen Stoff.

Koffein und Kopfschmerz

Zur Wirkung von Koffein auf das Kopfschmerzgeschehen gibt es eine große Zahl von Untersuchungen. Und ähnlich vielfältig in ihren Aussagen sind leider auch die Ergebnisse. Das wirkt auf Außenstehende zunächst sehr verwirrend.

Doch die Gründe für die Abweichungen sind erklärbar, denn der Teufel steckt auch hier wieder einmal im Detail. Es gibt nämlich in unserem Körper mindestens drei verschiedene Arten von Rezeptoren für das Adenosin. Daraus ergibt sich, dass die tatsächliche Wirkung dieses Stoffes entscheidend davon abhängt, an welchem Typ von Signalüberträger die Bindung stattfindet, in welchem Umfang das geschieht und wie es gerade um die Wechselwirkungen zwischen den vielen Rezeptoren bestellt ist. Hieraus lässt sich erahnen, wie viele unterschiedliche Wirkbedingungen sich unter den wechselnden Bedingungen einstellen können.

Bisher wurde angenommen, Koffein führe eine Verengung der Blutgefäße herbei und vermindere so den Blutfluss im Gehirn. Darauf, so die Vermutung, beruhe seine von vielen Migränepatient:innen berichtete schmerzlindernde Wirkung. Inzwischen weiß man jedoch, dass die Verengung von Blutgefäßen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der als positiv empfundenen Wirkung steht. Die Vorgänge, die den Blutfluss im Gehirn steuern, sind wesentlich komplizierter als bislang vermutet. Man nimmt heute an, dass es einen Unterschied in der Wirkung des Koffeins gibt. Es kommt nämlich darauf an, ob es regelmäßig oder nur sporadisch konsumiert wird. Hier wurde die Forschung wieder ein Stück weit an ihre Anfänge zurückgeworfen. Alte Gewissheiten mussten infrage gestellt werden. Möglicherweise beruhen die widersprüchlichen Ergebnisse der Untersuchungen darauf, dass es verschiedene Wege der Signalübertragung gibt, und zwar solche, die auf der Konkurrenz mit Adenosin um Rezeptoren beruhen und andere, die eine direkte Wirkung auf die Blutgefäße ausüben.

Adenosin und Migräne-Aura

Bei manchen Migränebetroffenen mit Aura kommt es im Vorfeld einer Attacke zum Gefühl von Abgeschlagenheit und extremer Müdigkeit. An der Entstehung dieser Krankheitsanzeichen, die dem Schmerzgeschehen bis zu Stunden vorausgehen können, ist Adenosin möglicherweise ebenfalls beteiligt. Es konnte außerdem gezeigt werden, dass die Gabe von Adenosin Migränekopfschmerz auslösen kann. Dass sich mit Koffein solche Schmerzattacken verhindern oder zumindest abmildern lassen, liefert einen indirekten Beweis seiner Wirksamkeit als Gegenspieler von Adenosin.

Welche Empfehlungen ergeben sich?

Die Forschung zur Wirkung von Koffein auf das Kopfschmerzgeschehen hat in den vergangenen Jahren an vielen Stellen Fortschritte gemacht. Vor allem das Verständnis der Wirkweise dieses Stoffes hat sich vertieft. Wer danach fragt, ob sich daraus spektakuläre Empfehlungen in Bezug auf den alltäglichen Kaffee- oder Teekonsum ergeben, wird allerdings nicht fündig. Für diejenigen Patient:innen, die eine Linderung der eigenen Kopfschmerzen durch die Aufnahme von Koffein herbeiführen können, spricht nichts dagegen, dies weiter so zu handhaben. Bei moderatem Konsum koffeinhaltiger Genussmittel scheinen nach wie vor keine Einwände gegeben. In einigen Untersuchungen wird sogar von überwiegend positiven Wirkungen auf die Gesundheit berichtet. Lediglich Schwangere und Stillende sollten die empfohlenen Grenzwerte beachten, um der Gefahr, zu viel Koffein aufzunehmen, aus dem Wege zu gehen.

Was allerdings den Konsum von gesüßten koffeinhaltigen Getränken und sogenannten „Energy-Drinks“ angeht, empfehlen die Fachleute, vorsichtig zu sein. Es wird eher davon abgeraten. Die oft stark zuckerhaltigen Getränke könnten mehr Schaden anrichten als eine kurzzeitige Anregung durch das enthaltene Koffein an Nutzen bringt. Gerade in der jüngeren Bevölkerung, die solche Mittel öfter konsumiert, besteht nachweislich eine erhebliche Gefahr von Übergewicht, Typ 2 – Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen. Auf diesen vermeintlichen Genuss zu verzichten, schont den Geldbeutel und ist die beste Methode, gesundheitlichen Risiken vorzubeugen.

Auch wenn die genaue Wirkweise vom Koffein auf das Kopfschmerzgeschehen durch die Forschung bis heute nicht vollständig aufgeklärt werde konnte, zeigt die Erfahrung der medizinischen Praxis, dass bei Migränepatient:innen unregelmäßiger Koffein-Konsum das Entstehen von Migräne-Attacken begünstigen kann. Viele Betroffene berichten beispielweise von zunehmenden Attacken, wenn ihr Kaffeekonsum einmal vom üblichen Muster abweicht. Es scheint ein Faktor zu sein, wenn die Kaffee-Routine der Arbeitswoche am Wochenende unterbrochen wird, weil zum Beispiel am Sonntag die erste Tasse deutlich später getrunken wird als sonst und außerdem nicht über den Tag verteilt noch einige weitere folgen. Auch wenn die aktuelle medizinische Forschung noch keine genaue Erklärung dafür liefern kann, warum Schwankungen in der Koffein-Zufuhr das Entstehen von Migräne-Attacken begünstigen können, sollten Betroffene, wenn dies bei ihnen ein Faktor ist, also versuchen, auch an den arbeitsfreien Tagen Koffein ähnlich zu konsumieren wie unter der Woche – oder umgekehrt.

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