Schichtarbeit und Kopfschmerz: Aufs Neue beleuchtet

In vielen Berufen ist Schicht- und Nachtarbeit weit verbreitet. Ob bei der Polizei, im Krankenhaus oder in Pflegeeinrichtungen, bei der Feuerwehr oder im Transportwesen – in vielen Bereichen des öffentlichen oder privaten Lebens ist das Arbeiten abseits der üblichen Zeiten erforderlich, um Versorgung, Betrieb und Sicherheit wichtiger Dienste sicherzustellen.
Allerdings weiß man schon lange, dass solche Arbeit gegen unseren natürlichen Rhythmus verstößt und eine erhebliche Herausforderung für Betroffene darstellt. Dies kann sogar mit gesundheitlichen Gefahren einhergehen. Was weiß die aktuelle Forschung über die tatsächlichen körperlichen Auswirkungen der Schichtarbeit, und mit welchen Folgen müssen gerade Kopfschmerzpatient:innen rechnen?

Schichtarbeit – alles andere als eine Seltenheit

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes arbeiteten im Jahre 2023 etwa 15 % der Erwerbstätigen in Deutschland zumindest gelegentlich im Schichtbetrieb. Davon entfielen 9 % auf Nachtarbeit zwischen 23 und 6 Uhr. Männliche Berufstätige sind hierbei von jeher etwas stärker vertreten: Sie arbeiteten zu 28 % in Abendarbeit, zu 16 % in Schichtarbeit und zu 12 % in Nachtarbeit. Bei Frauen waren es 23 % der Arbeitnehmerinnen, die zumindest gelegentlich abends arbeiteten. 13 % waren im Schichtbetrieb tätig und 6 % nachts. Ein erheblicher Anteil unserer volkswirtschaftlichen Arbeitsleistung wird damit abseits der üblichen Arbeitszeiten erbracht.

Der Mensch im Tag-Nacht-Wechsel

Die sogenannte „innere Uhr“ des Menschen regelt die natürlichen Abläufe und Befindlichkeiten des Menschen über den Tag hinweg und durch die Nacht. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom „Biorhythmus“ einer Person: Fein abgestimmte Vorgänge in unserem Körper sorgen dafür, dass sich der Wechsel zwischen Tag und Nacht, der in der Umwelt stetig stattfindet, auf unsere Aktivität auswirkt. Sie sorgen beispielsweise auch für die Steuerung unseres Schlafes. Der Biorhythmus des Menschen ist erstaunlich stark festgeschrieben und lässt sich kaum selbständig verändern: Er schwankt zwischen 23,5 und 25 Stunden und wird vom Sonnenlicht als äußerem Taktgeber täglich neu auf 24 Stunden eingestellt.

Die Tageszeit erschließt sich der Körper über die Lichtstärke der Sonnenstrahlen. Daran ist ein Sehfarbstoff in der Netzhaut des Auges beteiligt. Diesem hat die Wissenschaft den Namen Melanopsin gegeben. Melanopsin nimmt die Veränderungen der Lichtintensität sehr genau wahr. Diese werden dann über den Sehnerv an unser Gehirn weitergeleitet und verarbeitet. Hier wird der 24-Stunden-Takt gesteuert und die innere Uhr gegebenenfalls etwas nach vorn oder hinten angepasst. An diesen Vorgängen sind auch bestimmte Gehirndrüsen beteiligt. Sie schütten im Tagesverlauf verschiedene Botenstoffe aus, die sich ebenfalls tageszeitabhängig auf zahlreiche Funktionen und Zustände unseres Körpers auswirken. All diese Vorgänge erzeugen in einem komplizierten Zusammenspiel den Tagesrhythmus des Menschen und beeinflussen beispielsweise die Muskelspannung, die Körpertemperatur, den Hormonspiegel im Blut oder auch die Empfindlichkeit unserer Sinnesorgane und Nervenbahnen. Nicht nur der Mensch hat einen solchen Biorhythmus: Die gesamte Tierwelt bis hin zu einzelligen Lebewesen reagiert auf diese Weise auf die wiederkehrenden Abläufe ihrer jeweiligen Umwelt.

Die „shift work disorder“: ein echtes Krankheitsbild

Anfang 2022 hatten wir in diesem Artikel das Phänomen der „Schichtarbeits-Krankheit“ (engl. „shift work disorder“) näher beschrieben. Dabei handelt es sich um ein vielgestaltiges Erkrankungsbild mit starken körperlichen und emotional-seelischen Komponenten. Den bedeutendsten Anteil der Beschwerden machen Schlafstörungen aus. Zudem ist die Gesamt-Schlafdauer gegenüber Tagarbeitenden deutlich vermindert. Andauernden Müdigkeit kann die Folge sein, bis hin zum sogenannten „Fatigue-Syndrom“, einer sehr weitreichenden, krankhaften körperlichen Erschöpfung und Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit.

Hinzu kommen Störungen im Magen-Darm-Bereich, die langfristig auch zu entzündlichen Erkrankungen des Verdauungstrakts führen können. Auch Herz-Kreislauf-Probleme sind Teil des Krankheitsbildes. Im seelischen Bereich findet man häufig Angststörungen und Krankheitsbilder des depressiven Formenkreises. Es können aber auch erhöhte Reizbarkeit, Konzentrationsschwäche und Nervosität auftreten. Der Leidensdruck wird nicht selten durch familiäre und soziale Probleme verstärkt, weil sich Arbeit im Schichtbetrieb stark auf die familiäre und gesellschaftliche Teilhabe auswirkt.

Laut einer Auswertung von 29 Erhebungen zum Thema schätzte eine norwegische Forschungsgruppe, dass mehr als jede:r vierte Schichtarbeitende (26,5%) von der Erkrankung betroffen ist. Eine weitere Gefährdung kommt hinzu: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte 2007 den dauerhaften Nachtdienst sogar als „wahrscheinlich krebserregend“ ein.

Schichtarbeit und Kopfschmerz im Lichte neuerer Forschung

Zur Auswirkung von Schichtarbeit auf Kopfschmerzen gibt eine neue Übersichtsarbeit von 2024 einen umfangreichen Überblick über den aktuellen Forschungsstand. Darin wird eine Reihe von wissenschaftlichen Studien ausgewertet, die an insgesamt mehr als 400.000 Teilnehmenden durchgeführt wurden. In der Gesamtschau ergab sich eine rechnerisch nachweisbare (sogenannte „signifikante“) Erhöhung der Kopfschmerz- und Migräne-Gefährdung bei Schicht-arbeitenden Menschen. Diese ist bei Nachtarbeit in besonderem Maße verstärkt.

Für die Migräne zeigen Untersuchungen mit mehr als 4.500 Teilnehmenden, dass Nachtarbeit die Gefahr von Attacken deutlich erhöht. Insbesondere die Anzahl von Nachtschichten pro Monat scheint entscheidend dafür zu sein, wie stark sich die Anzahl der Migräneattacken steigern kann. Die Autor:innen beschreiben diese Zusammenhänge als klar nachweisbar in allen untersuchten Beschäftigtengruppen. Sie zeigten sich unabhängig vom Geschlecht der Betroffenen und der Art ihrer Tätigkeit. Eine dänische Arbeit fand vor allem diejenigen Beschäftigten verstärkt durch Migräne beeinträchtigt, die in Spätschichten tätig waren.

Besonders betroffen: Kranken- und Pflegedienst

Besonders stark vom Risiko für Kopfschmerz als Folge der Arbeit im Schichtbetrieb betroffen sind nach übereinstimmender Darstellung mehrerer Studien Mitarbeitende im Pflegebereich. Bezogen auf Migräne fand man – wie auch in der nicht von Schichtarbeit betroffenen Bevölkerung – beträchtliche Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Beschäftigten: Letztere hatten eine doppelt so hohe Gefährdung für Migränekopfschmerz wie ihre männlichen Kollegen. Frauen leiden also auch in der Pflege stärker unter Migräne als Männer. Dies gilt offenbar durchgängig – unabhängig davon, ob sie tagsüber oder im Schichtbetrieb berufstätig sind.

Kann man die Auswirkungen beeinflussen?

Wenn es für die Betroffenen nicht möglich ist, das Arbeiten im Schichtbetrieb, in der Nacht oder am Wochenende zu vermeiden, empfehlen Expert:innen, die Nachtarbeit auf maximal drei Nachtschichten hintereinander zu begrenzen. Diese sollten dann vorwärts wechseln, also etwa: Früh – Früh – Spät – Spät – Nacht. Danach sollte eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden eingehalten werden, besser sind sogar zwei bis drei arbeitsfreie Tage. Auch bei Spätschichten sollten nicht mehr als drei am Stück absolviert werden. Komplette Spätschichtwochen gilt es nach Möglichkeit zu vermeiden.

Praktische Tipps für Nacht- und Schichtarbeiter:innen

Die neueste Forschung bestätigt die großen Auswirkungen von Arbeit im Schichtbetrieb auf die Kopfschmerzbelastung von Betroffenen. Die folgenden Tipps für die alltägliche Anwendung geben Anregung zur Gestaltung der Schichtarbeit, um Kopfschmerzen trotzdem bestmöglich vorzubeugen.

Im Mittelpunkt: der Schlaf

Bei Menschen, die Schichtarbeit nachgehen, stellt vor allem unregel­mäßiges Schlafverhalten ein großes Problem dar. Ein wichtiger Tipp ist deshalb, darauf zu achten, dass der Wechsel zwischen Schlaf- und Wach-Zeiten zumindest bei Wechseln von Früh- in Spätschichten und umgekehrt so gleichbleibend wie möglich gestaltet wird. Schwieriger wird es bei der Nachtschicht – doch auch hier gibt es einige Tipps.

So kann es helfen, in der ersten Nachthälfte für sehr helle Beleuchtung zu sorgen, z. B. durch Tageslichtlampen. Dies verschiebt das Einsetzen der Müdigkeit nach hinten. Darüber hinaus sollten, falls möglich, während der Nachschicht kurze, etwa halbstündige Schlafpausen eingelegt werden. In der zweiten Hälfte einer Nachtschicht sowie in der Spätschicht sollte kein Koffein mehr konsumiert und die Beleuchtung so weit wie möglich reduziert werden. Grelle Sonne auf dem morgendlichen Heimweg ist ebenfalls zu vermeiden. Denn wenn die Dunkelheit schwindet, stellt der körpereigene Müdemacher-Botenstoff Melatonin seinen Dienst ein. Der Körper wird wach und findet nicht mehr in den Schlaf. Expert:innen empfehlen daher, bei großer Helligkeit auf dem Heimweg eine Sonnenbrille zu tragen. Zu Hause angekommen sollte man das Zimmer möglichst stark abdunkeln, um rasch einzuschlafen.

Essen

Grundsätzlich sollten Menschen, die im Schichtbetrieb arbeiten, auch über wechselnde Schichten hinweg regelmäßig essen. Dabei sind als warme Hauptmahlzeit Gerichte mit magerem Fleisch und Fisch sowie kohlenhydratreichen Beilagen wie Kartoffeln, Reis oder Gemüse zu empfehlen. Kalte Mahlzeiten können aus einem bunten Salat und/oder einem reichhaltig belegten Vollkornbrot bestehen. Auch regelmäßiges Trinken ist entscheidend. Zwei bis drei Liter täglich sollten es sein.

Während Nachtschichten sind zwei Nachtmahlzeiten empfehlenswert. Wenn es nicht möglich ist, eine warme Speise zu sich zu nehmen, kann zu einer kalten Brotzeit ein warmer Tee getrunken werden. Die zweite Nachtmahlzeit sollte etwa zwei Stunden vor Schichtende eingenommen werden. Dadurch bleiben Konzentration und Leistungsfähigkeit erhalten. Hierfür eignen sich z. B. eine Gemüsesuppe oder ungesüßtes Früchtekompott, Milch und Milchprodukte sowie Obst und leichte Salate. Nach der Nachtschicht zu Hause angekommen sollte vor dem Schlafengehen noch ein kleines, nicht zu üppiges Frühstück gegessen werden. Doch sollte man hier Vorsicht walten lassen: Ein zu reichhaltiges Frühstück sowie koffeinhaltige Getränke können zu Einschlafproblemen führen oder den Schlaf beeinträchtigen.

Pausen

Wer im Schichtdienst arbeitet, sollte besonders auf das Einlegen von kurzen Pausen achten – auch wenn dies etwa im Krankenhausalltag manchmal sehr schwierig ist. Die Pausen sollten möglichst an der frischen Luft verbracht werden. Auf diese Weise wird die Durchblutung unseres Gehirns und damit unsere Konzentrationsfähigkeit verbessert. Ein besonders guter Tipp ist die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, eine medizinisch erprobte und leicht zu erlernende Entspannungstechnik. Durch die bewusste Wahrnehmung der Anspannung und Entspannung der Muskeln erlebt der gesamte Körper eine tiefe Entspanntheit, was die Wirksamkeit auch vergleichsweise kurzer Pausen erhöht. Die Übung kann in der Kopfschmerzwissen – App oder hier auf der Webseite aufgerufen werden.

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